Sonntag, 24. Januar 2010

Surgery IV

Sieben-Tage-Woche ist hier auf der Station Alltag. Sonntags kommen die Patienten, die am Dienstag und Mittwoch operiert werden. Das heißt, dass vor allem die Interns (indische PJler) gefragt sind, alle Patienten aufzunehmen, und anschließend mit den Assistenzärzten zu besprechen.



Der Montagmorgen beginnt mit einer gemeinsamen Andacht aller Ärzte der Unit. Anschließend ist Grand Round, das heißt normale Visite und die Interns dürfen die neuen Patienten vorstellen. Die letzten noch fehlenden Untersuchungen und alle Vorbereitungen für die OPs am Dienstag und Mittwoch in die Wege geleitet.
Die Interns sind hier auch für alle Stationsarbeiten inklusive Dokumentation zuständig. Alle Patienten müssen morgens vor der Visite angeschaut werden, das heißt dann meistens gegen 6 Uhr auf Station sein. Ich bin schon ein bisschen froh, dass ich das hier nicht machen muss.



Montag Nachmittag geht es ins Outpatient Department. Die ambulanten Patienten kommen mit den unterschiedlichsten chirurgischen Problemen. Einige kommen zu postoperativen Kontrollen, andere sind wegen einer komplizierten Erkrankung aus einer kleineren Klinik weitergeschickt worden oder kommen, weil dort etwas schief gelaufen ist. Es ist ein munterer Wechsel der unterschiedlichsten Sprachen, aber oft gibt es die Schlüsselworte nur auf Englisch und zusammen mit meinen paar Brocken Hindi kann ich den Gesprächen meist in etwa folgen. Ansonsten frage ich nach oder werfe einen Blick in die Krankenakte, die komplett auf Englisch geführt wird. Ich sehe viel, was mir in Deutschland wohl nicht unbedingt begegnen würde, wie zum Beispiel Filariose oder tropische Pankreatitis, andererseits gibt es auch hier Gallensteine und diabetische Füße.




Der Dienstag beginnt wie jeder Morgen mit der Visite. Nacheinander klappern wir die verschiedenen Stationen ab, erst die Normalstation, dann einige Stockwerke höher die Semi-private Station, schon deutlich ruhiger und mit nur noch maximal zwei Patienten pro Zimmer. Dann geht es in verschiedenen Stockwerken und Gebäuden auf die Intensivstation, den Isolation ward und zuletzt in den „A-Block“, wo die Privatpatienten aus allen Abteilungen untergebracht sind. Das Gebäude ist voll klimatisiert und die Zimmer ähneln denen eines deutschen Krankenhauses. Sogar eine eigene Intensivstation gibt es hier.





Parallel dazu geht das OP-Programm los. Einerseits sind es die selben Operationen, die man auf einer ähnlichen Station in Deutschland erwarten würde, wie laparoskopische Gallenblasenentfernungen, andererseits aber auch regional häufigere Tumore, die in Europa Raritäten sind, oder infektionsbedingte Abszesse in Milz und Leber.
Anschließend ist noch einmal Visite – der Zeitpunkt richtet sich nach der Länge des OP-Programms und nicht danach, wann ein 8-Stunden-Tag vorbei wäre.





Mittwochs ist wieder OP-Tag. Hier wird mit sehr viel weniger Wegwerf-Material gearbeitet und auch sonst viel gespart. Die meisten Patienten haben keine Krankenversicherung und müssen bis hin zu jedem Verband, jeder Nadel und jeder Infusion alles selbst bezahlen. Dementsprechend gibt es hier neben neuester Technik eine sehr einfache Versorgung. Auch im OP wirkt vieles auf den ersten Blick irritierend, andererseits scheint es zu funktionieren. Und es ist definitiv günstiger, aus einem Stück Handschuh eine Drainage zu basteln und aus einem einfachen Blasenkatheter eine Ernährungssonde für Patienten, die sich eine parenterale Ernährung nicht leisten könnten.

Donnerstags ist den ganzen Tag Outpatient Day. Der Oberarzt, bei dem ich mit in der Sprechstunde sitze, wird heute 40 Patienten sehen. Außerdem ist die Unit Surgery IV heute für die Notaufnahme zuständig. Mindestens einmal pro Stunde klingelt dann das Telefon und ich begleite den Oberarzt in die Notaufnahme, um einen Patienten anzuschauen. Dort liegen bestimmt fünfzig Patienten. In die Abteilung für die schwersten Notfälle dürfen die allgegenwärtigen Verwandten nicht mit hinein. Der erste Patient, zu dem wir hier gerufen werden, hat bereits seit einer Woche immer stärker werdende Bauchschmerzen. Die Familie ist so arm, dass er nicht zum Arzt gegangen ist. Am Morgen ist er kollabiert, so dass er schließlich in die Klinik gebracht wird. Aber es ist zu spät. Drei Stunden später ist er tot. Zwei weitere Patienten, die am selben Tag mit einer Darmperforation kommen, werden in der Nacht noch operiert. Ob sie es schaffen werden, ist noch ungewiss.

Freitags ist vormittags Daycare Center, hier werden kleinere ambulante Operationen durchgeführt. Nachmittags geht es zwei mal im Monat in die Low Cost Effective Care Unit, ein Krankenhaus für die arme Stadtbevölkerung von Vellore, die von Ärzten des CMC mitbetreut wird. Dort gibt es eine Basisversorgung und es werden einfache Operationen für 10-15 € durchgeführt. Eine Entbindung kostet hier 7,50 €. Dementsprechend einfach ist die Ausstattung. Die Klinik wird über das CMC mitfinanziert. Wir sehen eine Handvoll Patienten, einige brauchen weitergehende Diagnostik und größere Eingriffe und werden dafür ins CMC überwiesen.






Der Samstag ist normaler Arbeitstag – für mich heißt das zum Glück nur, an der Visite teilzunehmen, weil ich keine Stationsarbeit erledigen muss. Die Interns werden heute jedoch wieder fast den ganzen Tag in der Klinik verbringen.

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