Samstag, 6. Februar 2010

Life in Bagayam

Inzwischen fühle ich mich hier schon ganz zu Hause. Bin nach 10 Tagen in einer nicht allzu heimeligen Unterkunft auf den College-Campus am Stadtrand gezogen, wo auch alle anderen Studenten untergebracht sind, und bewohne jetzt ein ziemlich luxuriöses Zimmer im Grünen.




Es ist ein bisschen eine eigene Welt hier, fast alle Studenten wohnen hier und auch viele Ärzte haben hier ihre Häuser. Es gibt eine Kantine, riesige Sportanlagen, einen kleinen Supermarkt, eine Grundschule und zwei Bankfilialen, eigene Busse pendeln zwischen dem College-Campus in Bagayam und der 7 km entfernten Klinik hin und her. Der Campus ist so groß, dass man joggen gehen kann. Und hier gibt es auch nur wilde Hunde, Katzen und Paviane, so dass ich nicht ständig irgendwelchen frei herumlaufenden Kühen, Buffalos, Eseln, Schweinen, Ziegen oder Hühnern ausweichen, die sonst in wechselnder Besetzung überall rege am Straßenverkehr teilnehmen und sich an keine – hier wahrscheinlich sowieso nicht existierende – Regeln halten.




Außer mir sind noch etwa 30-40 andere internationale Studenten hier, die absolute Mehrheit aus Australien, aber auch Schweden und die USA sind vertreten und ich lerne bald noch ein paar PJler aus Süddeutschland kennen. Wir nutzen die Wochenenden, um ein bisschen Vellore und die Umgegend zu erkunden. Vellore hat an Sehenswürdigkeiten außer einem Fort aus dem 16. Jahrhundert und einem erst vor zwei Jahren fertiggestellten hinduistischen Golden Temple (der aber kein Vergleich ist zum „echten“ Golden Temple in Punjab) nicht viel zu bieten. Fotos darf man in diesem Tempel auch keine machen, sämtliche Kameras und Handys müssen ebenso wie die Schuhe am Eingang abgegeben werden.





Am ersten Sonntag auf dem Campus gehe ich in die Chapel in den Gottesdienst. Den Prediger habe ich vor einigen Tagen schon im Bus kennengelernt. Auch den Medical Superintendant des Krankenhauses treffe ich dort. Ich komme mit ihm ins Gespräch und erzähle, dass ich schon einmal mit OM in Indien war. Prompt werde ich zum Studentenhauskreis eingeladen, der in seinem Haus stattfindet. Als ich am Sonntag Abend nach dem Gottesdienst dort ankomme, treffe ich dort nicht nur etwa 40-50 Studenten, sondern entdecke auch noch ein Klavier. Ich spreche ihn darauf an (es ist ein Schimmel von 1895, das über Australien seinen Weg hierher gefunden hat) und darf prompt den Lobpreis begleiten – die meisten Lieder kenne ich, wenn auch in anderen Tonarten und mit anderen Akkorden. Noten oder Griffe gibt es keine, aber ich kann den Gitarristen recht gut sehen und ihm auf die Finger schauen. Ein Amerikaner, ein Psychologe, der hier gerade für einen Workshop zu Besuch ist, spricht anschließend über das Vaterunser. Der Abend ist für mich wieder eine echt geniale Erfahrung, die ich schön öfters unter Christen an den verschiedensten Orten gemacht habe – mich unter lauter eigentlich fremden Leuten zu Hause fühlen zu können, weil ich weiß, dass wir zur gleichen Familie gehören.




Nach und nach lerne ich immer mehr Leute kennen, mache immer mehr Epianos und Klaviere ausfindig, auf denen ich spielen darf, begleite den Kinderchor bei den wöchentlichen Proben und gehe regelmäßig mit den indischen Studenten Basketball spielen. Auch wenn ich lang nicht so gut bin wie die meisten von ihnen, habe ich doch auch ab und zu mal ein kleines Erfolgserlebnis – ich habe hier reelle Chancen, erfolgreich zu blocken, weil keiner von ihnen größer als 1,80 ist.

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