Montag, 8. Februar 2010

HLRS

Als ich am letzten Tag in der S IV erzähle, dass ich als nächstes in die Hand- und Lepra-Rekonstruktions-Chirurgie (Hand and Leprosy Reconstructive Surgery) gehen werde, heißt es, dass es dort nur noch „normale“ Handpatienten gibt, das „Leprosy“ im Namen sei historisch. Heute sei es sehr selten, dass die Lepra so weit fortschreiten könne, da die antibiotische Therapie große Fortschritte gemacht hat. Bereits am ersten Tag sehe ich jedoch an die 10 Leprapatienten, bei denen die Krankheit verschiedene Nerven an Händen und Füßen angegriffen hat, so dass sie Lähmungen haben und gefühllos sind. Das führt wiederum zu Verletzungen und Geschwüren, weil sie keinen Schmerz in Händen und Füßen mehr spüren. Einige kommen zur Versorgung der Wunden, andere für rekonstruktive Eingriffe. Da zumeist nur einzelne Muskelgruppen einer Extremität gelähmt sind, können andere verpflanzt werden, um ausgefallene Funktionen zu ersetzen.






Andererseits sehe ich viele Verletzungen der Hand, die schlimmsten und leider nicht seltenen verursacht durch Maschinen, mit denen Zuckerrohr zerkleinert wird. Diese Maschinen werden in kleinen Dörfern meistens nachts betrieben, weil der Strom dafür gestohlen wird. Viele glauben, dass es am besten sei, diese Maschinen zu ölen, während sie laufen. Schwerst verstümmelte Hände sind das Resultat. Eine andere häufige Ursache sind Feuerwerkskörper, die bei den Hindus bei Todesfällen traditionell zur Vertreibung böser Geister in Gebrauch sind und allzu oft in der Hand explodieren.





Zwischendurch kommen Patienten mit Plexuslähmungen, Kinder mit schwersten Verbrennungen, die ins offene Feuer gefallen sind und viele Patienten mit verschiedensten anderen Verletzungen von größeren und kleineren Unfallen. Und auch Patienten aus Bangladesh oder von den Malediven, die sich am Karpaltunnel oder einem Ganglion operieren lassen.




Ich sehe zum ersten Mal in meinem Leben einen ausgeprägten Fall von Kinderlähmung, und auch eine junge Frau, die zwei mißgeformte Finger hat. Jetzt, da sie bald verheiratet werden soll, sollen die Finger, die jahrelang nicht gestört haben, „normal“ gemacht werden. Auch in weit weniger ausgeprägten Fällen als ihrem ist das hier ein häufiger Grund für kleinere rekonstruktive und plastische Eingriffe.




Die Patienten bleiben nach der OP meistens noch für einige Zeit in Vellore und erhalten in der Klinik Physiotherapie. Einmal in der Woche geht einer der Oberärzte dort vorbei um den Fortschritt der Therapie zu beurteilen und die weitere Vorgehensweise zu besprechen.


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